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Freitag, 14. Januar 2022

RICARDA WILHELM - Interview mit einer Seglerin auf Weltreise

 

Unterwegs mit der  Lady Charlyette, einer Amel 54

Ich weiß bei dir ehrlich gesagt gar nicht, was ich eine so Weitgereiste zuerst fragen soll, noch dazu jemand, die über ihre "Abenteuer" in Büchern berichtet. Aber ist das für dich eigentlich überhaupt ein Abenteuer, oder wie würdest du es beschreiben?

R. W. 

Nach einer langen Phase sehr intensiven Arbeitens ist es nun ein neuer Lebensabschnitt. Während wir unsere drei Kinder beim Aufwachsen unterstützten, Haus und Hof in Schuss hielten, beruflich einiges stemmten, konnten wir unsere Leidenschaft für den Wassersport nur selten ausleben. Irgendwann ist nicht nur der Tag rum, sondern auch die Kraft zu Ende. Nun sind unsere Kinder groß, unser Haus ist verkauft und die von uns aufgebaute Schule wurde an eine Stiftung übergeben. Das neue Leben ist ein Abenteuer, weil wir vieles erst lernen, uns einfinden müssen. Ich schreibe nicht nur Bücher, sondern lerne nun Englisch, Spanisch, Portugiesisch und Französisch. Immer gerade die Sprache, welche vor Ort gesprochen wird. Das ist für mein mittelaltes Hirn schon eine Herausforderung. An jedem neuen Ort muss der Alltag neu organisiert werden. Das macht Spaß und ist spannend aber nicht immer einfach. Inzwischen liebe ich dieses neue Leben und hoffe, es noch eine Weile mit meinem Mann genießen zu können.

 

 

Das hoffe ich für Euch. Und für mich als Blogger, da ich immer wieder neue Themen habe, die ich in meinen Blog einbinden kann. 

Aber wie lange seid ihr denn jetzt schon unterwegs und was hat überhaupt dazu geführt, dass du, dass ihr auf ein Segelboot gezogen seid?

R. W.

Mein Mann wollte schon als kleiner Junge mit dem Segelboot einfach los. Damals hatten wir das DDR-Regime und daran war gar nicht zu denken. Mit der Wende kamen Beruf, Familie, Verantwortung… Ich bin quasi im Paddelboot aufgewachsen und wohl schon immer eine Wasserratte. Wir beide teilen die Leidenschaft für das Wasser. Für uns ist es magisch, bietet Erholung, Gelassenheit und Freude. Wir paddeln, windsurfen, kiten, schnorcheln und ab und an charterten wir ein Segelboot. Dann war unsere Schule so groß, dass zwei Schultern sie auf Dauer nicht mehr tragen konnten. Wir fanden eine Stiftung und nutzten diese Gelegenheit, um loszulassen. Wir wussten nicht wie es wird, ob es uns gefällt und trotzdem entschieden wir uns konsequent. Das Haus war ohne Kinder sowieso zu groß. 2017 fand mein Mann ein passendes Boot in der Karibik, flog hin und kaufte es. Danach segelte er es in 60 Tagen allein über den Atlantik nach Rostock. Ein Sommer auf der Ostsee folgte und die Entscheidung für unser neues Leben wurde entgültig. Im August 2018 zogen wir komplett auf das Boot. Über Nordsee, europäische Atlantikküste, Madeira, die Kanaren und Kap Verden ging es in die Karibik. Dort erwischte uns zwei Monate später der Lockdown. Die Covidrestriktionen sorgten dann letztendlich für eine weitere Atlantikrunde. Nun ist zu hoffen, dass der Weg in den Pazifik wieder freier wird und wir auf die andere Hälfte der Weltkugel reisen können.

 


 

Los ging es in Deutschland? Du sagst Nordsee und raus auf den Atlantik. Lag das Ziel da schon fest?

R. W.

Unser Ziel war der Weg. Es gab die grobe Richtung, die das Wetter vorgibt. Wir wollten die Welt sehen, hinter den Horizont schauen und unseren erweitern, indem wir andere Kulturen kennen lernen. Außerdem war immer klar: Wenn es uns nicht gefällt, zu gefährlich ist oder zu große Spannungen verursacht, dann hören wir auf. 

 

                                                  📚

Gibt es ein Erlebnis, dass du als das bisherige Highlight bezeichnen würdest?

R. W. 

Ich staune immer wieder über die Natur und Tiere in freier Wildbahn oder die Lebensfreude anderer Völker. Wenn uns Delfine besuchen oder silberne fliegende Fische auf dem Meer Ballett tanzen, wird mein Herz ganz weit. Am riesigen Aquarium unter Wasser kann ich mich auch nicht satt sehen. Den Vulkan auf La Palma zu erleben, war überraschend und besonders, aber auch beängstigend. Die Naturgewalten auf dem Meer und dem Land sind respekteinflößend. Gegen die hat der Mensch nichts in der Hand, der ja ansonsten immer alles kann, verändert und sich überall einmischt. Ansonsten hat jeder Ort seinen Reiz. Es gibt für uns keinen Favoriten. Einzig die Portugiesen haben es uns angetan. Sie sind bis dato für uns die freundlichsten, uneigennützigsten und sympathischsten Menschen

[Anmerkung des Bloggers: zum Vulkanausbruch auf La Plama und wie Ricarda Wilhlem ihn erlebte geht es hier entlang - ]

 






 

 

Und was würdest du auf antworten, wenn ich frage "gab es etwas, was dir Angst gemacht hat, was war erschreckend (von Corona mal abgesehen)?

R. W.

Ja, die Kraft von Strömung, Wellen und Wind.



Angst vor der Kraft von Strömung, Wellen und Wind? Wie kann man denn dann Tage und Wochen auf dem endlosen Meer sein, ohne "verrückt" zu werden?

R. W.  

Wir segeln in einem sehr sicheren Boot. In besonders schwierigen Situationen lernt man, das Auszuhalten und so zu segeln, dass man nicht in Lebensgefahr gerät.

 

 

Apropos Corona! Wie hat sich die Pandemie auf Eure Reise ausgewirkt?

R. W.

Erst saßen wir völlig unverhofft auf unserem Boot fest und wurden zu Gefangenen im selbst gewählten Paradies. (siehe: Lockdown unter Segeln). Die Franzosen sprechen nur französisch und über Funk versteht der Sprachlernanfänger erst recht nichts. So hatten wir in den ersten sechs Wochen nur die Kontakte über Facebook und Whats-App, dem Internet sei es gedankt. Seither ist das Reisen schwieriger, fast jede neue Insel, jeder neue Hafen ist mit einer Einreise in ein anderes Land verbunden. Die Auflagen sind überall anders und ändern sich manchmal von einem auf den anderen Tag. Der Segler wird mit den Flugreisenden gleichgestellt. So mussten wir zum Beispiel selbst nach 17 Segeltagen zu zweit auf dem Meer in Quarantäne und drei PCR-Tests über uns ergehen lassen. Schön ist das nicht. Nach Freiheit fühlt sich das auch nicht an. Aber wir arrangieren uns, akzeptieren längere Strecken und dass interessante Inseln leider ausgelassen werden müssen.
 
 

 

 Link zur Buchvorstellung von "Lockdown unter Segeln" auf meinem Blog

 

 

Der Corona Lockdown stellt so manches auf den Kopf

 

Nachdem wir jetzt über Eure Reise gesprochen haben, muss ich als Buchblogger natürlich auch auf deine Bücher zu sprechen kommen. Wie viele Bücher waren es denn bisher?

R. W.

Inzwischen sind es neun, ich kann es selbst kaum glauben. Drei weitere sind in Arbeit. 

 

Hattest du von Anfang vor, über das, was ihr erlebt und was ihr seht andere als Buchform teilhaben zu lassen? Oder was hat dazu geführt, dass du das machst? Was ist für dich die Motivation andere an dem teilhaben zu lassen, was du erlebst? 

R. W.

Im Urlaub habe ich schon immer gern Tagebuch geschrieben und dann waren wir in Indien in einem Krankenhaus, um uns einmal so richtig reinigen zu lassen und ein paar Zimperlein los zu werden. Das war eine extrem außergewöhliche Erfahrung. Da wir vorher kaum heraus bekommen konnten, was uns erwartet, entschied ich mich, meine Tagebuchaufzeichnungen zu veröffentlichen. (siehe: Eine Pancha-Karma-Kur in einem indischen Krankenhaus. Das kam gut an. Außerdem wollte ich unsere Reise konservieren. Man glaubt gar nicht wie viel der Mensch vergisst. Auch unsere Lieben zu Hause waren interessiert. Und so intensivierte ich mehr Zeit in meine Tagebuchschreiberei und wurde zur Hobbyautorin.


 

 

Oder spielt da auch schon mal so etwas wie "Langeweile" mit, wenn ihr tagelang auf dem offenen Meer seid?

R. W.

Langeweile habe ich nur auf den langen Crossings (dem offenen Meer), die man in Wochen zählt. Wenn Wellen und Wind das Boot schaukeln, kann man oft nicht einmal lesen und ist nur damit beschäftigt, einigermaßen stabil zu sitzen und die notwendigsten Alltagsbedürfnisse zu befriedigen. Ansonsten sammelt sich immer mehr Material, das ich gern bearbeiten würde. Fotos, Videos, Texte… Ich komme gar nicht hinter her. Deshalb nehme ich mir auch kaum Zeit für das Marketing meiner Buchveröffentlichungen.

 


Ist es nicht besonders schwierig, von "unterwegs" zu veröffentlichen? Normalerweise werden Bücher korrekturgelesen und man arbeitet mit Lektoren zusammen, hat Probeleser und und und? Klar kann man heute vieles online machen. Aber ich stelle mir das trotzdem nicht so einfach vor.

R. W.

Es gibt fast überall Internet und was du aufzählst, kann man auch online machen. Persönliche Kontakte mit Buchhandlungen oder Buchlesungen funktionieren jedoch gar nicht. Auch kann ich kaum Bücher selbst verkaufen, weil der Versand nicht überall funktioniert oder sehr teuer wird. Aber ganz abgesehen davon, fehlt mir ja, wie bereits beschrieben, auch die Zeit für all die Aktivitäten. Ich beschränke mich auf die Veröffentlichungen bei Amazon und die gängigen sozialen Medien. (Instagram, Facebook, youtube) Eine Buchlesung gibt es bereits auf meinem YouTubeKanal und weitere sollen folgen https://youtu.be/31v2hwWbiTc)

[Anmerkung des Bloggers: Und "zur Not" gibt es ja auch noch uns Blogger [grins]]


Apropos "offenes Meer", was genießt du mehr, die Zeit auf dem Wasser oder die "Landgänge", neue Länder, Inseln, die Menschen?

R. W.

Definitiv und mit großem Abstand genieße ich die Buchten und das Land. Das offene Meer ist eine Wüste. Du kannst nicht unter die Oberfläche schauen. Dort wäre vielleicht mehr zu sehen. Delfine, fliegende Fische, Seevögel bieten viel zu selten Abwechslung. Die Unterwasserwelt in den Buchten und das Leben auf dem Land haben so viel mehr zu bieten.

 


In deinen Büchern findet der interessierte Leser ja immer auch viele, wie ich finde, tolle Fotos. Als was würdest du dich eigentlich bezeichnen, eher als Autorin oder eher als Fotografin?

R. W.

Ich fotografiere sehr gern und würde meine Fähigkeiten auch auf diesem Gebiet gern verbessern. Auch das steht noch meiner langen To-Do-Liste. Die Fotos sind eine wunderbare Ergänzung zu geschriebenen Worten. Meine Texte sollen Bilder produzieren. So kann ich derzeit nur behaupten, gern zu schreiben und zu fotografieren, mich bestenfalls Hobbyautorin und -fotografin nennen.

 

 

Ich weiß nicht, ob ich dich das überhaupt fragen darf? Wie finanziert man eine solche Reise? Ich kann mir vorstellen, dass das nicht gerade preiswert ist. Geht ihr zwischendurch arbeiten? Spielen die Einnahmen durch die Bücher auch eine Rolle? Wobei das ja wahrscheinlich allein nicht ausreichen wird.

R. W.

Wir haben vorher fast nur gearbeitet und alles verkauft. Nun ist zu hoffen, dass das Geld möglichst lange reicht. Ich müsste viel mehr Bücher verkaufen, um davon leben zu können. Das ist mehr ein Hobby als eine echte Verdienstquelle. Wenn das Geld alle ist, gehen wir wieder neues verdienen. Aber wer weiß. Jedes Jahr kommen Bücher dazu und die alten werden auch gekauft. Vielleicht reicht es ja irgendwann.
 
 
 

Aber eine Frage zu dem Thema habe ich dann doch noch. "Neues verdienen", dann dort wo ihr gerade seid?

R. W.
 
Keine Ahnung, wir sind ja unterwegs. Erst einmal ist das kein Thema.


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2 Kommentare:

  1. Lieber Michael,
    vielen Dank für dieses Interview und die Veröffentlichung in deiner wunderbaren digitalen Bibliothek. Für mich war es das erste Mal und es hat Spaß gemacht auf deine Fragen zu antworten. Nun bin ich auf weitere Fragen und Feedbacks deiner Leser gespannt .

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