Chantal Biglinski, Kriminalkommissaranwärterin:
liebt Pferde und Ingwertee
Als an einem regnerischen, kalten Frühlingstag auf den Bahngleisen der AKN-Strecke Norderstedt / Neumünster ein männlicher Torso gefunden wird, ist Kriminalhauptkommissar Björn Kaczmarek sich sicher, dass es sich um einen Suizid handelt.
Kommissaranwärterin Chantal Biglinski kniet sich tief in ihren ersten Fall hinein – zu tief für seinen Geschmack.
Nach vielen Stunden und Tagen intensiver Ermittlungsarbeit verschwindet seine Partnerin. Und er ahnt, dass sie dem Täter verdammt nahe gekommen ist. Wie nahe, ahnt er allerdings nicht.
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Auschnitt aus Kapitel 1:
Montag, 5. April 2023, 3.17 Uhr
Es reicht, es reicht …
„Habe ich richtig gehört? Chantal Biglinski? Passt ja wie der Sattel zur Kuh!“ Verwundert musterte Hauptkommissar Björn Kaczmarek die ihm zum Schichtbeginn zugeteilte Kriminalkommissaranwärterin.
„Sorry, aber das habe ich mir nicht ausgesucht“, antwortete sie, ohne ihn anzusehen. Für solche Scherze hatte sie im Moment keinen Nerv. Viel zu sehr war sie mit diesem Fall beschäftigt, der so unübersichtlich war, dass sie gar nicht wusste, wo sie anfangen sollte. Nicht genug, dass sie bereits seit zwei Uhr morgens bei Dauerregen in einem Gleisbett stand und sich an einer Tatortskizze
versuchte. Jetzt kam ihr Teamführer auch noch mit solchen Sprüchen.
„Hat was von einem Catwalk-Model oder einer Fashiondesignerin.“ Der Hauptkommissar konnte seinen stichelnden Unterton nicht verbergen, während sie mit der Handlampe die Gegend ableuchtete, dabei mit schmerzlicher Anspannung jedes Detail betrachtete, aus Furcht, etwas zu übersehen. „Klingt in jedem Fall besser als Kaczmarek oder Katze, wie man mich überall nennt. Doch das musst du dir erst verdienen. Mal sehen, welcher ‚Spitzname‘ zu dir passt. Bei uns hast du den
schneller weg, als du denkst.“
Auch wenn dieses sinnlose Gelaber, irgendwo zwischen plumper Originalität und dümmlicher Anmache, an ihr abperlte, nervte es. Zweifellos hatte er von sich eine höhere Meinung als angebracht. Und wäre nicht dieser ständige Sarkasmus gewesen, hätte man ihn glatt mögen können.
Rein optisch war dieser Mittdreißiger mit seinem kurzgeraspelten, grau melierten Haar und dem Seehundbärtchen eine durchaus interessante Erscheinung. So jedoch blieb er der klassische Stiesel,
den sie liebend gern gegen ein bequemeres Modell eingetauscht hätte. Dabei hatte sie sich ihre erste Nachtschicht im Kriminaldauerdienst anders vorgestellt, mit ein paar Vernehmungen oder interessanten Recherchen zum Beispiel. Allerdings kam kurz vor Mitternacht der Anruf von der Leitstelle mit einer unmissverständlichen Weisung. Seither befanden sie sich mit einem Dutzend Schutzpolizisten im Dauereinsatz. Und das auf einer freien, zugigen Bahnstrecke zwischen
Haslohfurth und Meeschensee, wo ein schneidend kalter Nordwind ständig neue Regenschwaden
herantrug.
Nachdem ein Signalmechaniker einen menschlichen Torso im Gleisbett entdeckt hatte, wurde unverzüglich eine Streckensperrung veranlasst. Eine erste Besichtigung ergab, dass der linke Arm und Teile des rechten Fußes samt den dazugehörigen Kleidungsstücken abgetrennt waren. Demnach wurde der Leichnam ein Stück mitgeschleift und verdreht. Um eine exakte Rekonstruktion unter Ausschluss von Fremdeinwirkung ermöglichen zu können, mussten jedoch sämtliche Teile gefunden werden. Obwohl die Gleisstrecke im Fundbereich mehrfach durch Kräfte der Schutzpolizei abgegangen wurde, hatte das bisher – außer dem Fund einer Uhr und eines Schlüsselbundes – noch kein Ergebnis gebracht. Das trug nicht unbedingt zur Verbesserung der Stimmung bei.
„Nun mach schon! Halte die Handlampe etwas höher, am besten über den Kopf. Ich kann keine Schatten gebrauchen!“, ranzte ihr Teamführer sie an. „Schließlich kommt es auf jedes Detail an. Was wir jetzt übersehen, könnte uns später auf die Füße fallen!“
„Besser so?“ Wiederholt starrte die junge Kriminalkommissaranwärterin oder KKA’in, wie es im Fachterminus hieß, auf den zerrissenen Leichnam. Ihre bisherigen Toten – drei an der Zahl – hatte man aus Autowracks geborgen, gesäubert und geordnet auf einen Seziertisch gelegt. Jetzt aber war das anders. Neben Kälte, Dreck und Feuchtigkeit störte sie vor allem der ewig nörgelnde Teamführer.
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Lebenslauf von Anja Gust:
„Jeder Mensch ist potenziell in der Lage, Gesellschaft zu gestalten.“
Anja Gust wurde 1968 in Rendsburg geboren. Sie liebt Pferde und Geschwindigkeiten. Als Kind wollte
sie Jockey werden. Die Liebe zu den Pferden ist geblieben. Anja Gust lebt mit ihrer Familie in
Norderstedt und in Flensburg, wo sie mit Blick auf das Kapitänsviertel ihre Kriminalromane schreibt.
2013 wurde sie von Aktion Mensch und dem LEA-Leseclub e.V. für ihr soziales Engagement im Bereich
Literatur im Museum für Angewandte Kunst in Köln geehrt. Zu ihrer Geschichtensammlung in Leichter
Sprache sind die Krimis um Sina Brodersen (»Monstratorem«, »Nur eine Petitesse«) und »So oder so
ist es Mord« erschienen sowie der gesellschaftskritische Roman »Die Schwebfliege« (nominiert für
den LovelyBooks Community Award 2023). Seit 2022 steht die Autorin im Telegonos Verlag unter
Vertrag. Brandaktuell: Die Reihe um »Kaczmarek ermittelt: …«. Momentan schreibt sie an dem 2. Fall
für Hauptkommissar Kaczmarek, der Ende 2024 erscheinen wird.
Seit vielen Jahren ist die Autorin in und um Norderstedt als Literaturveranstalterin und Ideengeberin
aktiv, dazu gehört u.a. das Format der »Ladies Crime Night«, die »Drei Damen vom Thrill« oder die
»Lange Nacht der Krimis«.
2019: Stiftungsmitglied des literarischen Förderpreises der Stadt Norderstedt.
Anja Gust ist Mitglied in der Schriftsteller:innengewerkschaft „Verband deutscher Schriftsteller:innen
(VS)“, die Teil von ver.di ist, im Kulturwerk Hamburger Schriftsteller und Schriftstellerinnen sowie –
mit besonderer Liebe – bei den Mörderischen Schwestern, ein Netzwerk von Frauen, deren
gemeinsames Ziel die Förderung der von Frauen geschriebenen, deutschsprachigen Kriminalliteratur
ist.
Lebensmotto: Ohne Lesen? Keine drei Tage!
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