Textschnipsel 2:
Irgendwie war Jutta mulmig zumute.
" Jetzt reiten wir erstmal da auf die Lichtung oder was es ist, dann sehen wir weiter!" beschloss Rolf. Martin fasste zustimmend die Zügel kürzer, trieb den plötzlich sehr widerstrebenden Joschi vorwärts - und erstarrte.
Vor ihnen erstreckte sich ein flacher, mit weiteren Felsblöcken versehener Hügel, zur einen Seite hin mit Gesträuch und Baumdickicht zugewachsen - und mitten drin: Reste von Steinmauern, etwas wie ein Turm, halbverfallene Torbögen: eine Ruine.
Eine ... RUINE!
Zerklüftetes, graues, geradezu trostlos wirkendes Gestein, an dem der Schnee hochgeweht war, was sich um eine Art Innenhof herumzog...
Martin hatte es die Sprache verschlagen. Mit weit aufgerissenen Augen drehte er sich zu den übrigen um.
" Das ist ja - ist das eine Ruine?" Auch Jutta wirkte eher erschrocken als überrascht.
" Aber wovon? Ich meine, war hier denn früher mal eine Burg? Oder ... was könnte es sonst gewesen sein..?"
" Ein Kloster - die Ruine eines Klosters?" sprang Ellen ihrer Freundin erstaunt bei.
" Nein, davon ist mir nichts bekannt ..."
Rolf, der mit Cleo ein Stück näher geritten war, meinte leicht zögernd:" Naja, schon merkwürdig ... so eine direkt verborgene Ruine hier so im Wald ... nicht mal auf einem Berg ... aber eigentlich doch kein Grund nervös zu werden oder ..."
" KEIN GRUND?? Du hast 's ja gerade selbst gesagt - !"
Martin hatte mit einem Schlag seine Stimme wiedergefunden und holte gleich alles nach.
" Direkt verborgen - das ist es doch! Halb zugewuchert, als wolle sie niemand mehr sehen!? Das ist wie in der Geschichte! Wie in der 'Schwarzen-Runde' -Geschichte!"
Er sprang von Joschi, der unruhig herumtänzelte.
" Wer weiß denn, ob es so eine Burg nicht tatsächlich früher mal gegeben hat? Die dann zerfallen ist, als der fiese Landesfürst da gestorben ist - bis nur noch - so eine Ruine übrig blieb!?"
" Das ... kann doch eigentlich nicht sein ", kam es wenig überzeugend von Ellen, " das war doch 'ne Geschichte - doch nicht echt!"
" Weißt du das so genau? So eine Volksüberlieferung gibt 's doch immer mal wieder, da ist auch was Wirkliches drin! Und wir kennen ja nicht mal den Titel oder den Verfasser..."
" So mit Teufelspakt und Fluch?" fragte Rolf skeptisch.
" Kannst du - kann irgendeiner von euch das Gegenteil beweisen? Früher - da lag sowas doch viel mehr auf der Hand als heute ... denkt mal ans Mittelalter!"
" Ich habe nur versucht, vernünftig zu überlegen ", hielt sein Freund dagegen, dessen angespanntes Gesicht nicht recht zu seinen Worten passte.
" Geheimnisvoll sieht sie ja schon aus - so hier auf 'ner Waldlichtung, nachts bei Mondschein und Schnee ..."
" Auf jeden Fall wäre das hier ein super Ort für eine Silvesterfeier!"
Ellen war immer noch aufgedreht.
" Romantisch - gleichzeitig ein bisschen schaurig ... guckt mal, wie die Schatten über den Innenhof fallen... da denkt man schon an Gruselstories, zum Beispiel 'Dracula' - passt doch total, oder?" Sie stupste Rolf an und kicherte nervös.
" Meine Güte ", fiel da Jutta ein,
" Silvesterfeier? Leider nein, sonst wären Vorbereitungen zu erkennen. Und wir wissen nicht mal, wieviel Uhr es ist - bestimmt schon bald Mitternacht!" Sie musste hart schlucken.
Sie kamen überein, den Ponys und sich eine Pause zu gönnen, die Tiere an der rückwärtigen Mauerseite der Ruine an ein paar niedrige Bäume zu binden - immerhin hatten sie ja Halfter und Stricke dabei.
Sie selbst wollten die Ruine inspizieren - und sei es nur, dass ihnen dann so schnell nicht kalt werden würde ...
Mit neuem Interesse begannen sie, an der Mauer der Ruine entlanggehen und sich nach möglichen Verliesen, Geheimgängen ... und ähnlich Reizvollem umzusehen.
Doch gerade als Martin sich anschickte, über einen niedrigen Mauerteil - vorsichtig! - einige der Steine wirkten nicht sehr vertrauenserweckend - Richtung Innenhof zu klettern, geschah etwas!
" Psst!" zischte Martin.
" Ich höre Stimmen!"
" Da kommt jemand!"
" Was?"
Tatsächlich - zwei dunkle Personen näherten sich von der flachen Lichtungsseite her - zwei Personen mit zwei Pferden.
Textschnipsel 3:
Es war halb vier!!!
Nach erfolgreichem Parcours wurde Jürgen von Daniel abgelöst, der seine Stute eine Runde außen herumtraben ließ.
Jetzt waren nur noch Björn mit Kim auf dem Abreitestück.
Daniel musste noch ein wenig warten; offenbar erklärte Günther Bosch den Richtern noch einiges über den notwendigen Pferdetausch - und zeigte auf eine Stelle des Protokolls.
"Richter Barkow hat es in der Hand behalten", erkannte Ellen aufgeregt,
"und sie bewegen sich ... etwas weg vom Bosch - Sollen wir - jetzt?"
"Rennt da jetzt bloß nicht rein!" widersprach Eva, unterstützt von Conny.
"Ja, stellt euch nur vor, wenn Cherie zu scheuen beginnt - dann passiert vielleicht wirklich was! - Mit Daniel!"
Da hatten sie recht.
Trotzdem begehrte Jutta auf:" Wir müssen es doch noch mal versuchen! Wenigstens versuchen! Irgendwas passiert bestimmt! - Warum, glaubt ihr, ist Mischa wieder so unruhig geworden?"
"Was weiß ich?" entgegnete Eva," weil er noch Fieber hat, was sonst?!"
Martin verfolgte Daniels Ritt mit den Augen. Alles um ihn herum schien mit einem Mal gestochen scharf hervorzutreten; es war ihm, als beobachtete er sich selbst, sich und die anderen von irgendwo außerhalb - wie sie hier am Zaun standen, im Kopf unermüdlich nach tollen Methoden suchten, das Böse zu bekämpfen, auf dass nachher alles wieder gut wäre - in der Theorie zumindest, - eben wie in einer spannenden - aber natürlich sicheren Abenteuergeschichte - sie in der Wirklichkeit jedoch immer wieder davor zurückschrecken würden.
Was hätten sie denn eigentlich tatsächlich getan, wenn das Protokoll in ihre Hände gefallen wäre - z.B. vorhin in Juttas? Hätte sie es tatsächlich verbrannt - vor den Augen aller Leute?!
- Oder er - oder Ellen - oder ...?
Und hier würden sie stehen - wie festgewachsen - am Zaun, würden abwarten, nichts machen. Obwohl sie es sich fest vorgenommen hatten - obwohl sie die Taschen voller Streichhölzer hatten! - Würden nichts wagen, weil ... ' vielleicht etwas anderes passieren könnte ' ..., weil es vielleicht peinlich werden - das Reitabzeichen kosten könnte ... würden auf einen 'geeigneten' Zeitpunkt warten, der niemals käme - und dann wäre es zu spät.
Vor dem Platzeingang standen Björn und Kim. Melanie rief:" Viel Glück!"