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Donnerstag, 9. März 2023

DIRK HEGMANNS - Miles Davis in Maputo

Zusammenfassung (Klappentext)
 

Mosambik nach dem Bürgerkrieg: 

Ein Entwicklungsexperte reist ins Land, um beim Wiederaufbau zu helfen - und taucht ein in die tropischen Nächte Maputos, die von Jazz und Blues widerhallen. Eine Begegnung mit einer Stadt und der Vielfalt des Jazz, mit einer fremden Mentalität und einem, der einst auszog, um die Welt zu verändern.


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Textauszug:

Es war ein Tipp von Martín, der mich an einem Freitagabend in eine kleine Sackgasse in der Baixa lockte. Martín selbst hatte keine Zeit. Wer weiß, worin er wieder steckte ... Ich ging also seiner Beschreibung nach und hatte Zweifel, als ich mit dem Wagen vor der Gasse anhielt. Sie war mit einem improvisierten Vorhang verschlossen, vor dem ein Kassierer auf einem Holzschemel saß und Eintritt verlangte. Von jenseits des Vorhangs klang Musik.

 Ich parkte meinen Wagen mit der überflüssigen Hilfe eines selbsternannten Parkwächters, der lautstarke Kommandos gab, damit ich das Auto zentimetergerecht in der Lücke abstellte, die locker für einen Siebeneinhalbtonner gereicht hätte. Vor dem Vorhang schaute mich der Kassierer erwartungsvoll an.

Gibt es hier Live-Musik? fragte ich.

Ja.

Wann denn?

Jetzt.

Ich seufzte. Jetzt

Jazzbar Gil Vincente in Maputo

konnte vieles bedeuten, nur eines nicht: jetzt. Ich bin die Relativierung des Zeitbegriffs ab etwa südwärts der Alpen gewohnt. Das habe ich schon als Jugendlicher im Spanienurlaub mit meinen Eltern gelernt. Der Begriff mañana, also auf Deutsch morgen, ist in seiner Bedeutung äußerst dehnbar. Ich übersetze ihn kulturell angemessen mit irgendwann dann mal.

Aber im Laufe der Jahrzehnte ist das morgen zeitnäher geworden. Schließlich kann man als Mitglied der Europäischen Union nicht ständig mañana, mañana sagen und sämtliche Beschlüsse auf irgendwann dann mal vertagen. Da ist mit der EU-Bürokratie nicht zu spaßen. Auch wenn mir die EU manchmal irgendwie spanisch vorkommt ...

Ich weiß, es ist politisch nicht korrekt, aber die Völker sind nun mal unterschiedlich, und das ist auch gut so! Wäre doch furchtbar, wenn sie alle so wären wie wir! So deutsch! So ordentlich! So pünktlich! So ... langweilig.

Nun, in lateinamerikanischen und afrikanischen Ländern ist der Zeitbegriff von der Mechanik eines Uhrwerks abgekoppelt. Zeit ist ein kulturelles Konzept! Und wenn der Kassierer auf dem Holzschemel vor dem Vorhang jetzt sagt, dann meint er damit Komm rein, setz dich hin, trink ein Bier, schau dir die schönen Frauen an, entspann dich und warte auf das, was da kommen mag. Eigentlich eine ganz simple Angelegenheit.

Ich zahlte also den Eintritt und der Kassierer drückte mir einen Zettel in die Hand und zog den Vorhang zur Seite. Die Gasse war kaum dreißig Meter lang. Zu beiden Seiten waren kleine Bars, vor denen Tische und Stühle standen. Am Kopfende der Sackgasse war eine kleine Bühne aufgebaut. Immerhin standen dort schon die Instrumente der Band, die da kommen mochte.

Ich setzte mich an einen der Tische und folgte dem Rat des Kassierers. Ich bestellte ein Bier und entspannte mich. Nun ja, die Aussicht war tatsächlich nicht schlecht. Jedenfalls saßen an anderen Tischen auch die schönen Frauen, die der Kassierer mit seinem Jetzt erwähnt hatte. Und ich dachte schon, das wäre nur ein Werbegag gewesen.

Von der Bühne her klang leise Jimmy Dludlus New Church Street von seinem Album Corners of my Soul, das zweimal den South African Music Award erhalten hatte. Ich schien also am richtigen Platz zu sein.

Jazz in der Bar
Ich warf einen Blick auf den Zettel, den mir der Kassierer gegeben hatte. Es war eine einfache Schwarz-Weiß-Kopie mit der Ankündigung der Band, die an diesem Abend in der Sackgasse spielen sollte. Ghorwane.

Der Name sagte mir nichts. Hatte ich noch nie gehört. Ich war also sozusagen auf einem blind date. Aber ich bin ja immer für Überraschungen offen.

Gegen halb Zwölf – die Gasse hatte sich inzwischen mit Menschen aller Hautfarben gefüllt – trat die Band auf die Bühne. Die meisten Zuschauer klatschten und pfiffen. Die Band war hier nicht ganz unbekannt, schloss ich daraus. Die sieben Musiker grüßten, fanden ihre Plätze auf der kleinen Bühne und fingen ohne großen Firlefanz an zu spielen.

 

Die Mischung aus mosambikanischem Marrabenta und Jazz, aus Rhythmus und Bläsern, sorgte augenblicklich für Stimmung. Auf der Fläche vor der Bühne begann das Publikum zu tanzen. Ich stand auf und nahm die Bierflasche in die Hand. Langsam drängte ich mich weiter nach vorne.

Das war gut, was die da boten! Melodische Arrangements wechselten mit harmonischen oder freien Improvisationen ab. Und natürlich der Gesang. Weder Portugiesisch noch Englisch, sondern Shangana, die Bantu-Sprache des mosambikanischen Südens. Da ich kein Wort verstand, hörte er sich an wie ein weiteres Instrument. Er folgte den traditionellen Gesangsformen Mosambiks. Jemand sang eine Zeile, die anderen Musiker antworteten. Ein Muster, das man seit Jahrhunderten überall in Afrika findet. Und das die Sklaven auf den nordamerikanischen Feldern beibehielten und später bis zum Blues weiterentwickelten.

Nach dem zweiten Stück traten zwei weitere Sängerinnen auf die Bühne. Jetzt wurde richtig Stimmung gemacht. Ich tanzte mit der Bierflasche in der Hand. Man kennt ja dieses Gefühl, dass man sich an irgendetwas festhalten muss, wenn man nicht sicher ist, ob man sich dazugehörig fühlen soll oder nicht. Aber die Flasche war auch ganz einfach notwendig, da ich in der tropischen Abendluft nach wenigen Minuten schwitzte wie sonstwas. Flüssigkeitsausgleich ist in den Tropen lebenswichtig! Da ist jede Flasche Bier voll legitimiert.

Spätestens nach zwei weiteren Stücken hatte ich dann keine Zweifel mehr, dass ich dazu gehörte. Beim Tanzen macht man in Afrika keinen Unterschied zwischen In- und Ausländern oder akrobatischen und hüftsteifen Tänzern. Da lässt man jeden so sein wie er ist. Ich hielt trotzdem an der Bierflasche fest.

Als mein T-Shirt am Rücken klebte, machte ich eine Pause. Ich lehnte mich an eine Hauswand und beobachtete die Tanzfläche. Die meisten einheimischen männlichen Tänzer nutzten die Gelegenheit, mit eindeutigen Gesten ihre Paarungsbereitschaft gegenüber einigen weiblichen Expats kundzutun. Das war schon beeindruckend, wie sie ihren Unterleib verrenkten. Allerdings schienen die weiblichen Expats wenig interessiert zu sein. Sie lächelten höflich und wandten sich zur anderen Seite. Wo dann innerhalb von Sekunden der nächste Verrenker sein Glück versuchte.

 

Öffentlicher Nahrverkehr in Maputo


 


Wie das Buch entstand

Nach dem Bürgerkrieg in Mosambik, der 1992 endete, reiste ich zum ersten Mal nach Mosambik, um dort als Entwicklungsexperte zu arbeiten. Bis 2015 folgten mehrere Arbeitsaufenthalte, durch die ich die vielen Facetten des Landes und seiner Kultur kennenlernen konnte. Einen bleibenden Eindruck hat dabei die Vielfalt der Musik hinterlassen, die von traditionellen Rhythmen über Popklänge bis hin zu ausgefeilter Jazzimprovisation reicht. Als Jazzfan konnte ich zahlreiche Musiker erleben, die in Europa problemlos ein großes Publikum begeistern würden, die jedoch im eigenen Land von der Hand in den Mund leben. Der Protagonist in „Mit Miles Davis in Maputo“ nimmt die LeserInnen mit auf eine Reise durch ein Land, das uns Europäern weitgehend fremd ist. Er erzählt von der Begegnung zweier sehr unterschiedlicher Kulturen und beschreibt mit Humor, wo sich die Geister der beiden Völker trennen.

 

Außer diesem Buch habe auf meinem Blog auch das Buch "Die Tage der Navajos" vorgestellt, in dem  die NS-Widerstandsgruppe Edelweißpiraten eine Rolle spielt. Das Buch ist in Romanform geschrieben.
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Über den Autor
[Amazon entnommen]

In Düsseldorf geboren und aufgewachsen. Studium der Germanistik, Kunstgeschichte und Soziologie in Düsseldorf und Bielefeld. Promotion in Soziologie. Dirk Hegmanns hat viele Jahre in Lateinamerika, Afrika und dem Nahen Osten gelebt und gearbeitet. Die Kultur und Geschichte dieser Regionen sowie die Erfahrungen des Autors spiegeln sich auch in vielen seinen Büchern wider.

 




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