Klappentext
»Wie viele Türchen hat ein Lockdown-Kalender?«, wollte die
alleinerziehende Mutter Maria vom Weihnachtsmann erfragen, doch dessen
Wunschzettelgruppe war im Frühlingsurlaub stumm geschaltet.
Nun in der Vorweihnachtszeit bastelt sie am regulären Adventskalender
für ihre Tochter. Nach all den Unwägbarkeiten dieses verflixten Jahres
2020 zweifelt sie dabei sogar an der Anzahl abzuwartender Dezember Tage,
bis zum letzten Türchen.
Den Weihnachtsmann plagen andere Sorgen.
Sein Rauschebart sträubt sich gegen den Mundschutz, zu dem der
Himmelsrat ihn verdonnerte. Leider mit handfesten Argumenten: Er sei
schließlich der Einzige mit direktem Kundenkontakt und habe
Vorbildfunktion.
Ob sein Nebenjob auf dem Bremer Weihnachtsmarkt ausfällt, kann ihm nicht
einmal der Bürgermeister beantworten. Solange das in den Sternen steht,
ist auch die Finanzierung der Weihnachtsgeschenke aller Kinder nicht
gesichert ...
Was wird bloß aus dem Fest, wenn die Beschränkungen sogar den
Weihnachtsmann lahmlegen?
Nur nie den Humor verlieren!
Schnipsel
Über Sinn, Zweck und Notwendigkeit von Masken für Adventsgestalten hatte es Anfang Oktober eine außerplanmäßige Himmelssitzung mit langen, hitzigen Debatten gegeben. Alles was über den Wolken Rang und Namen hatte, versammelte sich auf den Sternbänken. Um die Abstände zu wahren, wurden einige Asteroiden aus ihrer Bahn gezerrt und zu Nothockern am Rande der Milchstraße umfunktioniert.
Das Christkind war sofort fein raus: »Ich bin unter sechs. Ich bin freigestellt.«
»Das ist angesichts deines wahren Geburtstages aber minimal gemogelt«, nörgelte ein Jungengel, vermutlich eifersüchtig, weil er selbst mindestens zwölfjährig aussah. Aus den vollbesetzten Reihen der Seraphim erklang unruhiges Gemurmel.
»Geht es beim Weihnachtsfest um historische Fakten oder um Glauben?«, zischte ihm das Christkind zu. Das Engelchen strich prüfend über den Rand eines seiner goldenen Flügel, die sicher in keinem Geschichtsbuch als Fakten verzeichnet waren und sagte lieber nichts weiter.
Der Nikolaus argumentierte: »Die Kinder bekommen mich doch gar nicht zu Gesicht. Da wäre Maske tragen total unsinnig.«
»Und wenn dich doch eines vor seiner Tür erwischt?«, fürchtete das Christkind.
Das Lachen des Nikolauses hallte von den Sternen über alle Wolken bis auf die Erde: »Das hat bei mir in über 1500 Jahren noch keines geschafft! Das passiert bei mir nie! Und alle, die das behaupten, die lügen.«
»Ach, das passiert immer nur anderen? Ähnlich hatten die modernen Europäer auch bezüglich Pandemien gedacht, obwohl die letzte große gerade mal hundert Jährchen her war. Und manche, die bisher nicht persönlich betroffen sind, glauben das immer noch«, mahnte ein älterer Cherub, irgendwo von den hinteren, höchsten Plätzen.
Die Mehrheit stimmte jedoch zu, das Risiko einer Begegnung sei beim Nikolaus derart gering bis ausgeschlossen, dass er auf Maske und Reiseprotokolle verzichten könnte.
Die Engel verpflichteten sich freiwillig, das Abstandsgebot demonstrativ auf über zwei Meter zu erweitern und einzuhalten. Was für sie, selbst im größten Gedränge, leicht war, da sie nach oben ausweichen konnten. Wo sie sich ohnehin meist aufhielten.
Kaum war das Thema für diesen größten Teil der Anwesenden geklärt, jammerten die ersten nach einer Versammlungspause.
Der Weihnachtsmann riss sich den himmelblauen Mundschutz von den Ohren und pfefferte ihn in eine Ecke seines Schlittens.
»Es kann doch wohl nicht wahr sein, dass die gesamte himmlische Heerschar es nicht hinkriegt, eine ordentliche Maske zu nähen?«, wetterte er gegen drei Engelchen, die auf der Wolke neben seinem Fahrzeug standen. Sie wackelten betreten mit den Flügelspitzen. Es war bereits die vierte Anprobe.
Bei dieser lag ein ganz besonders ausgefeiltes Modell vor, mit diversen elastischen Elementen, insbesondere im Mundbereich. Das sah ein wenig nach Patchwork aus. Doch der dicke Rauschebart hob den Stoff dennoch luftig weit vom Gesicht ab und schob ihn bei jedem Wort herum. Spätestens beim dritten »Ho« vom »Ho Ho Ho«, hüpfte der Draht von der Nase, oder der ganze Lappen hing gleich quer über dem Kinn.
»
Nein, Quatsch. Es geht um die Tage. Nicht so sehr um die Geschenke. Ich meine, der Weihnachtsmann weiß doch alles?«
»Kind, du sprichst mal wieder in Rätseln«, seufzte Maria und ärgerte sich sofort, weil sie klang wie ihre eigene Mutter.
Darauf sprang postwendend die Wut des Kindes an: »Du kapierst einfach nix! Mann! Denk doch mal nach.«
»Entschuldige. Erklär es mir bitte«, glättete die Mutter die Wogen.
»Er weiß von allem wie lange was ist. Ich weiß nur nicht, ob er auch den Adventskalender macht, weil der doch von deiner Patentante und immer in unserem Keller ist? Aber wenn er das macht, dann soll er das jetzt machen!«
»Du wünschst dir mitten im Frühling deinen Adventskalender, gefüllt vom Weihnachtsmann?«
»So ähnlich. Advent ist doch öde, da weiß jedes Kleinkind, dass es vierundzwanzig Tage sind.«
Langsam dämmerte der Mutter, worum es ging und dass die Lösung nicht einfach sein würde: »Du wünschst dir eine andere Anzahl Türchen? Die soll der Weihnachtsmann füllen, weil wir nicht wissen wie lange es noch dauert, hier und jetzt?«
»Ja! Ich hätte gerne einen Lockdown-Kalender!«
Während des Schleusenvorgangs kam der Himmelsschleusenmeister angelaufen, der den Unfall auf seinen Kontrollmonitoren verfolgt hatte, um den Schaden zu begutachten. Das Tor hatte keine Schramme, aber das Rentier samt Schlitten umso mehr.
»Ein defektes Zugtier und ein Fahrzeug ohne funktionierende Bremse. Da muss ich leider die Weiterfahrt untersagen«, konstatierte er.
Der Weihnachtsmann starrte ihn an: »Aber … ich bin der Weihnachtsmann!«
»Ach«, grinste der Schleusenmeister, »wer hätte das gedacht.«
»Du darfst mich doch nicht einfach festsetzen!«
»Sind Sie hier für den Verkehr zuständig oder ich?«, rügte der zuständige Beamte mit derart drohender Betonung auf dem ›Sie‹, dass der Weihnachtsmann sich instinktiv in seiner Kapuze versteckte. »Entschuldigung. Selbstverständlich Sie. Und jetzt?«
Inzwischen waren die Wolken, bis auf einen kleinen Bodendunst, über den Rand der Schleuse gepumpt und eindrucksvoll im Sternenwind zerfleddert. Das untere Schleusentor öffnete sich.
»Sie fahren jetzt ganz, ganz langsam aus der Schleuse und binden ihren Schlitten in den Unterwolken an der Schleusenmauer an. Die Weiterfahrt wird erst gestattet, wenn die technischen Mängel behoben sind.« Der vom göttlichen Amt angestellte Meister über die ›Schleuse am Ende des Himmels‹ hatte sein Urteil gefällt.
Der heilige Gabenbringer auf dem Schlittenbock nickte ergeben. Gegen behördliche Anordnungen war wohl jeder machtlos.
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Über die Autorin
Aufgewachsen als norddeutsche Seemannstochter,
wollte ich bücherschreibende Binnenschifferin werden, was am Recht der Frau auf ihre eigene Toilette scheiterte.
(Es gibt nur eine "vor dem Mast".)
Die Lebenswellen
verschlugen mich zu diversen Tätigkeitsbereichen bei Film,
Theater/Musical, Jugendarbeit und Multimedia/Internet, siehe
Projektographie. Schreiben war und blieb tragendes Element.
(Drehbücher, Konzepte etc.)
Für die Medien an den Rhein gezogen,
fand ich als Kölner Fährfrau endlich zurück
zum Wasser. Es folgte Fahrgastschifffahrt im Koblenzer Raum,
danach war ich rund zehn Jahre Steuermann sowie Kapitänsfrau auf einem
Motortankschiff. Hinzu kam mein
Wohnboot als Meldeadresse.
Mann mit Tanker ist weg, Boot mit Schulkind bleibt.
Zurück im Norden, bin
ich jetzt alleinerziehende Schriftstellerin.
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