Gretchen
Klappentext
Eine zweischneidige Axt, die irgendwann einmal in Ben Weises Besitz geriet, inspirierte ihn vor Jahren zum Schreiben eines Horrorromans. Dieser wurde überraschend zu einem Bestseller. Nun will er mit einer Fortsetzung an seinem damaligen Erfolg anknüpfen, aber eine Schreibblockade hindert ihn daran. Ben macht auf dem Speicher eine Entdeckung, und er beginnt die Story seines Lebens zu schreiben. In seiner Vorstellung verschmelzen Illusion und Realität miteinander, sodass er die Zeit um sich herum vergisst. Erinnerungen kratzen an die Oberfläche seiner Gedanken, oder sind das alles nur Visionen? Das Mädchen, das ihm dabei erscheint, rächt sich an den Personen, die ihr Schmerzen zufügten und wird zur Hauptfigur in seinem neuesten Manuskript. Eines Tages macht Ben auf dem Dachspeicher eine grausige Entdeckung.
Eine Novelle von Axel Lechtenbörger
Textschnipsel 1
Irgendwo hinter sich hört Felicitas das Klacken harter Schuhsohlen, vermutlich die Lackschuhe eines Mädchens.
Die Geräusche verstummen abrupt.
Ein Kind kichert.
Felicitas wendet sich um, aber hinter ihr ist niemand zu sehen.
Merkwürdig. Möglicherweise kamen die Geräusche aus dem Lautsprecher eines laufenden Fernsehers. Sie blickt zu den geöffneten Fenstern hinüber und schreckt zusammen, als einer der Fensterflügel zuschlägt.
Beruhigt geht sie weiter und ein paar Minuten später ist sie zu Hause angekommen.
Sie öffnet die Tür und kickt, ohne Licht zu machen, ihre unbequemen Stilettos in die Ecke. Dann hängt sie im Flur ihren Mantel an den Garderobenhaken und stellt, nach dem sie die indirekte Beleuchtung in der Küche eingeschaltet hat, ihre Handtasche auf dem Tisch ab. Mit einem Glas Rotwein bewaffnet bemerkt sie, dass die Haustür noch einen Spalt weit offensteht. Sie wird sie wohl nicht richtig zugezogen haben, denkt sie gedankenverloren. Sie schließt sie ab und summt auf dem Weg zum Wohnzimmer beschwingt einen Song, der im Musiksender des Hotelzimmers gespielt wurde und ihre Hüften in ekstatische Schwingungen versetzte, als er in sie eindrang.
Sie spürt, wie sie bei dieser Vorstellung wieder feucht wird.
Ein Kind kichert.
Felicitas erstarrt im Rahmen der Tür. Das Glas fällt ihr aus der Hand. Es klirrt und der blutrote Wein verteilt sich zwischen ihren nackten Zehen.
Das Kichern verstummt.
Sie stiert in das dunkle Wohnzimmer. Rechts wähnt sie den Lichtschalter.
Es überläuft sie eiskalt. Unwillkürlich muss sie an das Kichern und die klackenden Sohlen in der Gasse zurückdenken.
Ihre schweißnassen Finger berühren den Taster. Sie zögert, denn sie hat schreckliche Angst davor, etwas zu sehen, was sie nicht sehen möchte.
Das Licht der Stehlampe in der Ecke glimmt auf.
Niemand da.
Leide ich schon unter Halluzinationen? Sie versucht, einen klaren Kopf zu bewahren.
Ein klackendes Geräusch in ihrem Rücken lässt sie herumfahren.
Eine kleine Gestalt hat sich vor ihr aufgebaut. Die rote Farbe ihrer Lackschuhe stechen ihr direkt ins Auge. Felicitas starrt auf den missgestalteten, aufgerissenen Mund, aus dem kein Laut dringt.
Die Fratze ist abstoßend, aber gleichzeitig auch merkwürdig anziehend.
Sie ist so fasziniert, dass sie die Axt nicht bemerkt.
Zu spät erfasst ihr Unterbewusstsein, dass die Klinge auf sie zu saust.
NEIN! schreit es in ihr.
Was geht hier ab?
Es ist die letzte Frage in ihrem Leben, die sie sich stellen kann.
Textschnipsel 2
Damals fürchtete sich Ben vor dem einfallenden Mondlicht, das Schatten an die Wände seines Zimmers warf und ihm schreckliche Ungeheuer vorgaukelte. Er fühlte sich nur geborgen, wenn er sich die Decke über den Kopf zog. Aber in seiner Einbildung bewegten sich die Schemen um ihn herum und huschten über seine vermeintliche Schutzhülle. Er meinte trippelnde Füßchen über sich zu hören und wartete panisch auf nach ihm greifende, kalte Schattenfinger. Ihm schwebte stets vor, dass sich jeden Moment die Bettdecke anheben und etwas Grauenhaftes zu ihm ins Bett kriechen würde.
Ben hatte damals das Gefühl, dass die Schatten von Mal zu Mal realer wurden. So manche Nacht war er schreiend vor Angst zu seinen Eltern ins Schlafzimmer geflüchtet, die ihn aber stets zu beruhigen wussten. Seine Mutter meinte, dass es nur die Scheinwerfer von Autos seien, die an ihrem abgelegenen Grundstück vorbeifuhren und den mächtigen, abgestorbenen Baum anstrahlten, dessen Schattenwurf bis in sein Zimmer hinein reichte. Oder die Gardinen, die sich durch einen Luftzug bewegten.
Ben hatte ihr aber nicht so richtig glauben wollen. Das Fenster in seinem Zimmer ließ sich nicht öffnen, also konnte es keinen Luftzug gegeben haben und sie wohnten damals in einer Sackgasse, in einem abgelegen stehenden Haus. Nur das Haus der Straff´s stand etwa einhundert Meter vor ihrem. Wo hätte da ein Auto hinfahren sollen? Zu ihnen kam niemand, sie hatten nie Besuch. Vielleicht lag es ja auch an seinem merkwürdigen Vater, der immer so geheimnisvoll tat und sich nächtelang in seinem Zimmer einschloss, wenn er einmal zu Hause war.
Textschnipsel 3
Ben hatte noch nie zuvor eine Leiche gesehen. Mit einer Mischung aus Angst und Neugier umrundete er den Sessel. Dabei betrachtete er seinen toten Vater und bemerkte dessen trübe Augen hinter den halbgeschlossenen Lidern.
Eine rote Flüssigkeit rann ihm in den Vollbart und tropfte auf die Knopfleiste seines blauweiß karierten Hemdes herab.
Irgendwie kam ihm das unheimlich vor. Er bekam es mit der Angst zu tun. Er wollte diesen Raum schleunigst verlassen, aber als er unter den halbverschlossenen Lidern den stumpfen Blick seines Vaters auf sich zu spüren glaubte, rann es ihm eiskalt den Rücken herab. Hatte er kurz zuvor nicht in die andere Richtung gestarrt? Ben beobachtete das fahle Gesicht genauer und machte einen Schritt zur Seite, um diesem merkwürdigen Blick auszuweichen. Aber die Augen schienen an ihm haften zu bleiben.
Textschnipsel 4
Natürlich ist da niemand.
Alles nur Einbildung, geht es ihm durch den Kopf.
Klar, ich schreibe Horrorgeschichten, da habe ich eben auch eine blühende Fantasie, redet er sich ein.
Ben schiebt seine Hand in die Ritze des Sessels. Er fingert darin herum und hält auf einmal eine pechschwarze CD, einen Rohling, ohne jegliche Beschriftung, zwischen seinen Fingern.
Unvermittelt scheint es um Ben herum noch dunkler zu werden, als es schon ist. Das Licht seiner Lampe wird so schwach, dass er kaum noch etwas erkennt. Er würde demnächst erst einmal die Batterien austauschen, bevor er sie wieder benutzen würde, geht es ihm durch den Kopf.
Er tritt auf einen Gegenstand, den er nicht bemerkt hat und knickt mit dem Fuß um. Ein heftiger Schmerz zieht durch sein Sprunggelenk. Er flucht und der suchende Strahl seiner Lampe erfasst seine zweischneidige Wurfaxt am Boden.
Hier bist du also. Wie kommst du denn hierher?
Er hat sie bereits vermisst, denn sie hatte ihn für seinen Roman „Schemengänger“ inspiriert und wurde darin ein wichtiger Bestandteil.
Erleichtert, fast zärtlich nimmt er sie in die Hand und wischt den Staub herunter. Es ist für ihn, als hätte er einen verlorengegangenen Freund wiedergefunden. Er steckt sie mit dem Stiel voran hinter seinen Gürtel in den Hosenbund.
Aus den Augenwinkeln heraus erkennt er eine Bewegung. Sein Blick fällt auf den Schaukelstuhl, der ihm im Weg steht.
Hatte ich ihn nicht zur Seite gestellt?
Ben erkennt, dass er wippt.
Das kann nur eine Sinnestäuschung sein, vermutet er. Trotzdem kann er nicht verhindern, dass sich seine Nackenhaare aufrichten.
Etwas krabbelt in sein Hosenbein hinein und hastet an seiner Wade hoch. Ben schlägt mit der flachen Hand danach. Ben meint etwas Matschiges am Bein zu spüren.
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Autorenvorstellung Axel Lechtenbörger
Die Faszination des Schreibens traf ihn im Jahre 2005 Mitten ins Herz, als er Sabine traf. Einen Menschen, von dem er glaubte, dass es diese für ihn gar nicht mehr geben würde. Sie erweckte etwas in ihm, von dem er glaubte, dass es in der schnelllebigen Zeit eigentlich verlorengegangenen sei.
Als sie sich kennenlernten, schrieben sie sich noch SMS-Nachrichten. Anfangs zögerlich berührende Worte, die mit der Zeit und seinem Mut zu Gedichten (das Gedicht „Was ist Liebe“ wurde in die BIBLIOTHEK DEUTSCHSPRACHIGER GEDICHTE aufgenommen) mutierten. Er schrieb kurze Kindergeschichten und veröffentlichte „Das Ferkel mit den Gummistiefeln“ und „Lukas, der Rehkitzretter“, (ein Buch zum Vorlesen und Ausmalen).
Drehbücher für Musikvideos (auch für eigene Filme) folgten und er begann Filme zu produzieren (auch selbst als Kameramann).
Des Weiteren modelte er auf dem Laufsteg und war als Komparse und Kleindarsteller in mehr als 100 Fernsehsendungen mit dabei, unter anderem bei Alarm für Cobra 11, Tatort, Ein Fall für zwei, Der Staatsanwalt, div. Kinoproduktionen, usw., sowie als Dressman für Fotosequenzen.
Die ganze Zeit über begleitete ihn auch die Faszination der Malerei. Er malte in Acryl und er hatte mit seinen Bildern einige Ausstellungen.
Jetzt liegt sein Hauptaugenmerk nur noch auf der Schreiberei, im Genre Thriller/Krimi. Im Jahre 2019 veröffentlichte er den Thriller „Schlafe mein Kind, bevor du stirbst“, und im Dezember des Jahres 2020 „Gretchen“ als eBook, eine Psychothriller-Novelle.
Zusatzinfo:
Im Jahre 2014 gründete er mit einigen Tierfreunden zusammen den ehrenamtlichen Verein Kitzrettung Rheingau-Taunus e.V., um Rehkitze bei der Wiesen-Mahd vor den Mähwerken der Landwirte zu retten. Seit November 2018 ist er 1. Vorsitzender des Vereins.
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